Texte zur Fotografie
Nordstadtwelten 2.0 Projekt # 2017
- aus der Reihe innere Werte und äußere Ansichten
Eine Area 51 für verstoßene, geflüchtete, abgerutschte und auch alteingesessene Menschen sieht in ihr eine alte und neue Heimat - die Nordstadt. Eine Demarkationslinie zieht sich unsichtbar aber doch merklich durch die Innenstadt von Essen. Einen Schritt zu viel und man fühlt sich anders – beobachtet und fremd.
Ein Reisebericht durch einige der vielen Länder der Nordstadt in Essen.
Angefangen habe ich in einem kleinen Garten einer griechischen Familie. Als sie sahen, dass ich ihren kleinen Garten durch den Zaun fotografierte, ließen sie mich hinter die Absperrung und ich war in Griechenland mit Sonnenblumen, Rosen, Margeriten und Weinreben.
Ein ganz anderes Erlebnis waren da schon die tristen Hinterhöfe, die entweder durch hohe Gitter oder durch kameragesicherte Toreinfahrten auf alteingesessenes Publikum schließen ließen, dass sich vor dem fremden verbarrikadiert hat.
Ein aufgerissenes Plakat an einer Litfaßsäule zeigt, mit ein wenig Fantasie, ein schwarzes Gesicht. Über der aufgerissenen Stelle sieht man einen Gospelchor. Ein wenig weiter unten erblickt man einen farbigen Mann mit einer zum Himmel gereckten Faust. Es scheint, dass die Kämpfe gegen Unterdrückung in der Zerrissenheit des Plakates ihren Ausdruck gefunden haben.
Ein paar Schritte weiter steht man vor einem türkischen Frisiersalon. Ein Frisierstuhl für Kinder in Form eines Plastiksportwagens zeigt unmissverständlich für welches Geschlecht hier nur Platz ist. In einer von Männern dominierten Welt werden schon die kleinsten dazu erzogen, eine Gleichberechtigung durch hochhalten von Traditionen im Keime zu ersticken. Nur für Männer und nur von Männern bedient. Ein Klischee, das auch mit einem Bild aus diesem Salon bedient wird. "Schöne", zu stolze Männer eingehüllt in Camouflage - Frisierumhänge lassen sich hier für den Kampf, um ihre Vorherrschaft herrichten.
Ein Bild wie aus vergangenen Tagen, als die Welt noch in Ordnung schien, zeigt eine Fensterdekoration eines Geschäftes für Damaliges. Kleinbürgertum mit Landschaftsgemälde im Goldrahmen, einen alten Tonträger davor gelehnt, ein altes Holzspielzeug in Form einer Klapperschlange und überdies eine gelackte Kommode zieren diese Fensterdekoration.
Eine Straße weiter steht in übergroßen Lettern auf einer Häuserwand das Wort "Bombe" und man ist wieder im hier und jetzt angekommen.
Aber dennoch geben die aufgemalten "Käsekästchen" auf der Straße ein Bild der Hoffnung. Jede neue Generation wird mit Mut die Ungleichbehandlung von Mal zu Mal weniger werden lassen, die Demarkationslinien einreißen und aus unseren Köpfen endlich beseitigen.
Das große Durcheinander
Formal ist das Werk inspiriert von der sogenannten Bilderflut.
Bilderflut als Wort ist ein zu tiefst emotionales Wort, welches die Dimension von verarbeiteten digitalen Bildern umschreiben soll;... geistig kaum vorstellbar. Es gibt eine Idee ihrer visuellen Repräsentation, die analog sichtbar macht was digital unsichtbar ist. Das Komprimieren und Entfalten von Bildern wird durch das Über - und Nebeneinanderhängen der 9 Papierbahnen an der Wand visualisiert.
Trotz der Größe und der Variabilität der collagierten Arbeit kann sie nicht annähernd eine Idee von der Größe des digitalen Raumes geben; es sind ja nur 540 ausgewählte Bilder, und diese von nur einer Stadt und von nur einer Person gemacht.